Fraktionsvorsitzende Birgit Härtel, 21. März 2022
Die SPD-Fraktion bedauert zunächst, dass die pandemischen Rahmenbedingungen es nicht verantwortbar erscheinen lassen, im Rahmen einer umfassenden Haushaltsdebatte im Kreistag sowohl die zentralen Weichenstellungen und Entscheidungen der Landrätin als auch die politischen und „klimatischen“ Veränderungen der Kreispolitik seit der Kommunalwahl 2020 angemessen (und damit auch durchaus kritisch) zu würdigen – Anlässe dafür gäbe es leider wahrlich genug.
Bedauerlich ist dies umso mehr, da ja die letzte tatsächliche Haushaltsdebatte – und somit auch die „Generalaussprache“ über die Kreispolitik und das Verwaltungshandeln – aufgrund des Doppelhaushaltes und der verspäteten Einbringung des HH 2022 nun schon mehr als zwei Jahre zurückliegt.
Aber, nun ist es eben mal so. Daher hier in verkürzter und komprimierter Weise das Wesentliche zum eingebrachten Haushalt der Verwaltung, zum Ablauf und zu den Ergebnissen der politischen Haushaltsberatung und den Positionen der SPD-Fraktion.
Vorab allerdings – nicht als Ritual, sondern sehr aufrichtig gemeint – an dieser Stelle der Dank meiner Fraktion an die Leiterin und die Mitarbeitenden der Kämmerei für ihre Arbeit im Zuge der Haushaltsaufstellung und -beratung!
Nun der entscheidende Satz der SPD zum Kreishaushalt 2022:
Nach sorgfältiger und intensiver Befassung mit dem vom Kämmerer eingebrachten HH-Entwurf ist die SPD-Kreistagsfraktion trotz aller grundsätzlicher Kritik zum Entschluss gekommen, bei der Abstimmung über die Haushaltssatzung für 2022 nicht mit nein zu stimmen, sondern sich zu enthalten.
- Aus Sicht der SPD hätte es etliche gute Gründe für eine Ablehnung gegeben, hier nur exemplarisch folgende:
Die wiederholte Ablehnung des von der SPD beantragten Kreis-Zuschusses an die MKK zum Abbau der systemwidrigen und nach wie vor die MKK-Betriebsergebnisse belastenden Investitionen der Vergangenheit; gepaart mit der anhaltenden Weigerung der Kreistagsmehrheit anzuerkennen, dass der Kreis den MKK – und damit vor allen deren Beschäftigten und Patient*innen – einen beschlossenen Entlastungszuschuss in Höhe von 35 Millionen Euro seit Jahren vorenthält. - Die Weigerung von Landrätin, Kämmerer und Kreistagsmehrheit, die Verantwortung des Trägers für die ins Auge gefassten Klinikneubauten in der Mittelfristigen Finanzplanung des Kreises darzustellen; um damit zu unterstreichen, dass der Kreis die potentiell nicht vom Land getragenen Investitionskosten für die Weiterentwicklung des stationären Gesundheitswesens zu schultern bereit sei.
- Der Verzicht auf die Formulierung strategischer Ziele und daraus abzuleitender Priorisierung und Schwerpunktsetzung im Vorfeld der Haushaltsaufstellung.
- Der komplette Rückzug des Kreises aus der gemeinsamen strategischen Kreisentwicklung mit den Städten und Gemeinden und ein Stillstand bei aufgezeigten Ansätzen für interkommunale Zusammenarbeit im Bereich der Daseinsvorsorge.
- Die völlig überflüssige und dadurch Planungsunsicherheit in den Kommunen erzeugende Verschiebung der Haushaltsberatung und -verabschiedung um drei Monate.
- Die auf das rein Formale reduzierte Beteiligung der Städte und Gemeinden an der Gestaltung des Kreishaushaltes.
Die Enthaltung der SPD bei der Abstimmung für die Haushaltssatzung 2022 bedeutet also keinesfalls eine Zustimmung zur vorgelegten Gesamt- oder Detailfinanzplanung für 2022 und die Folgejahre; sondern erfolgt lediglich auf der Grundlage einer durch externe Umstände objektiv gegebenen erheblichen Planungsunsicherheit für die Öffentlichen Haushalte insgesamt.
Der Überfall auf die Ukraine und die Fluchtbewegung von dort werden die Haushalte der Städte und Gemeinden im Mühlenkreis wie auch des Kreises selbst belasten – in welchem Umfang und über welchen Zeitraum hinweg, lässt sich heute seriös nicht vorhersagen.
In diesem äußerst unsicheren Umfeld verzichtet die SPD-Kreistagsfraktion daher auf weitere grundsätzliche oder detaillierte Änderungsanträge zum Kreishaushalt 2022 und akzeptiert ihn als Planungsgrundlage – wohl wissend, dass sich Annahmen als Makulatur erweisen können.
Denn auch das ist wahr: Ein gegenüber dem eingebrachten Entwurf politisch veränderter, von ihm abweichender Kreishaushalt 2022 hätte unter den gegebenen, bzw. eben nicht vorhersagbaren Rahmenbedingungen und Entwicklungen die gleichen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten aufgewiesen.
So hat die SPD-Kreistagsfraktion z.B. nach den dramatischen Entwicklungen in Europa davon Abstand genommen, ihren ursprünglich beabsichtigten Antrag auf Absenkung der Planzahlen für die Anzahl der im Jahresdurchschnitt zu erwartenden Bedarfsgemeinschaften bei den Kosten der Unterkunft (mit einem Spareffekt von etwa 1 Mio. €) in die Haushaltsberatung einzubringen.
Zudem ist festzustellen:
Auch nach (der sehr, sehr späten!) Vorlage der Veränderungsliste im Finanzausschuss am letzten Donnerstag liegt der Kreisumlagehebesatz nach Berechnungen der Kämmerei bei 35,58 %.
Im Rahmen ihrer eigenen Haushaltsberatungen ist die SPD-Fraktion ebenfalls zum Ergebnis gelangt, diesen Hebesatz für das Jahr 2022 festzusetzen.
In der Gesamtschau und -bewertung dieser Aspekte kommt die SPD-Fraktion nicht zu einem Ergebnis, das für eine Zustimmung zum vorgelegten Haushaltsentwurf ausreichend wäre.
Sie sieht allerdings vor dem Hintergrund der dargestellten Situation und unabsehbaren Entwicklungen auch keine validen Grundlagen, um einen seriös begründeten Alternativentwurf mit einem für die Städte und Gemeinden im Ergebnis anderen Kreisumlagehebesatz zur Abstimmung zu stellen – sie stimmt daher bei der Beschlussfassung über die Haushaltssatzung 2022 mit Enthaltung.
Erläuterungen/Hintergründe
Die SPD-Fraktion hatte beantragt und ist in der Abstimmung darüber unterlegen, dass der Kreis seiner vor mehr als einem Jahrzehnt beschlossenen Bringschuld gegenüber den Mühlenkreiskliniken und deren Beschäftigten endlich nachkommt – auch als deutliches Verantwortungssignal des Trägers im Vorfeld der vor uns liegenden Planungen zu den Krankenhausneunbaten im Lübbecker Land und in Bad Oeynhausen.
Die Mehrheit des Kreistages und die Landrätin verweigern damit den Beschäftigten erneut die zugesagte Honorierung der von ihnen erbrachten Vorleistungen im seinerzeitigen erfolgreichen Konsolidierungsprozess und verengt damit zugleich die Entwicklungsmöglichkeiten der MKK, zulasten auch der Patient*innen.
Auch wäre eine Annahme des Zuschuss-Antrages der SPD im Kreistag ein Signal dafür gewesen, dass die im Verwaltungsrat der MKK in Aussicht gestellte Umsetzung des SPD-Antrages mit dem Ziel, die Fremdvergabe von Reinigungsdienstleistungen zu beenden und diese wieder komplett durch eigene Beschäftigte erledigen, ernst gemeint ist.
Die SPD hatte zudem bereits vor Einbringung des HH-Entwurfes 2022 darauf gedrängt, Finanzierungskonzepte für die in den Folgejahren anstehenden immensen Investitionskosten des Trägers für die vorgesehenen Neubauten der MKK im Lübbecker Land und in Bad Oeynhausen vorzulegen – dies wurde von der Landrätin, dem Kämmerer und der schwarz/grünen Kreistagsmehrheit abgelehnt.
Genauso wenig sind Landrätin, der Kämmerer und die schwarz/grüne Kreistagsmehrheit den Forderungen der SPD gefolgt, zumindest in der mittelfristigen Finanzplanung des Kreises, die ja mit dem HH 2022 beschlossen wird, Investitionskosten des Trägers Kreis für die MKK-Neubauten auszuweisen.
Allein schon ein Blick auf diesen Teilbereich der Finanzplanung zeigt, dass von einer verantwortungsvollen und seriösen Finanzplanung des Kreises, die auch den Städten und Gemeinden das erforderliche und berechtigte Maß an Entwicklungs- und Planungssicherheit geben muss, keine Rede sein kann: die ergänzende Stellungnahme der HVBs und Kämmerer der Städte und Gemeinden spricht hier ja auch eine deutliche Sprache.
Dem vorgelegten Stellenplan 2022 hat die SPD zugestimmt: Wir sehen die Probleme bei den Stellenbesetzungen, anerkennen aber auch den objektiv gegeben Bedarf der einzelnen Stellen. Die SPD wird im Personalausschuss angesichts der sicher nicht einfacher werdenden Situation weiterhin darauf drängen, endlich ein wirksames Personalentwicklungs- und Personalgewinnungskonzept des Kreises zu entwickeln.
Im Zusammenhang mit der Haushaltsaufstellung 2022 – aber auch davon unabhängig, im allgemeinen Umgang der Fraktionen/Gruppen/Verwaltung miteinander – erfüllt es die SPD-Kreistagsfraktion zudem mit Sorge, dass die schwarz/grüne Kreistagsmehrheit fortwährend und ohne Rücksicht auf getroffene Vereinbarungen über Beratungs- und Entscheidungsprozesse in Ausschüssen und interfraktionellen Arbeitskreisen, nur nach ihrem Gusto Teilaspekte zur Eigenprofilierung in Anträge kleidet und beschließt – und damit nicht nur die Verwaltung, sondern auch gemeinsame Ziele, Maßnahmen und Projekte des Kreises insgesamt gefährdet.
Gemessen an den Ankündigungen der jetzigen Landrätin vor und kurz nach Ihrer Wahl hat die SPD-Fraktion zudem zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Kommunikations- und Beteiligungsqualität zwischen Verwaltungsleiterin und der Politik insgesamt sich nicht verbessert hat, sondern sich offenbar auf einen regen internen Abstimmungsprozess zwischen den Spitzen der schwarz/grünen Kooperation und der Landrätin reduziert.
Eher ist Sprachlosigkeit zwischen der Landrätin und den Bürgermeistern, dem Kreis und den Städten und Gemeinden auf dem Gebiet der gemeinsamen Kreisentwicklung festzustellen: Ganz offenbar werden die Ansätze, Erkenntnisse, Ziele und Vereinbarungen aus dem gemeinsamen strategischen Prozess „Mühlenkreis 2030“ nicht weiterverfolgt – eine nicht nur traurige, sondern auch sehr kurzsichtige Entscheidung von schwarz/grün und der Landrätin.
Wobei die SPD-Fraktion nach wie vor feststellen muss: Wir können ja nur mutmaßen, was die schwarz/grüne Kooperation und ihre Landrätin wollen, die Kooperationsvereinbarung zwischen CDU und Grünen auf Kreisebene ist ja nie veröffentlicht worden, niemand kann die beiden Fraktionen und die Landrätin also an ihren formulierten Zielen und ihrem konkreten Handeln messen – nach wie ein bedenklicher Vorgang und Umstand.