Montag, 23. August 2021, Diepholzer Kreisblatt Stemwede/Rahden / LEMFÖRDE / REHDEN / WAGENFELD
„Verschenken wollen sie uns nicht“
IG Metall feiert Familienfest im Tierpark Ströhen vor ernstem Hintergrund / Sorgen um die ZF-Werke
Ströhen – Die Farbe Rot herrschte am gestrigen Sonntag vor im Tierpark Ströhen. Schirme, Kappen und T-Shirts häuften sich. Angezogen hatten sie die IG Metall-Mitglieder der ZF-Werke der Dümmer Region. Die Forderung der IG-Metall-Vertreter und Vertrauensleute aus den Werken Diepholz, Damme und Dielingen war eindeutig: „Lasst uns am Transformationsprozess konstruktiv teilnehmen, um unsere Arbeitsplätze zu retten.“ Der Slogan der IG Metall hieß dazu „FairHandel nur mit uns“, und stand an den Fahrzeugen. L
Das Familienfest am Sonntaghatte Torsten Kuhlmann aus Preußisch Ströhen (Vertrauensmann im Werk Diepholz) organisiert. Seine Anfrage stieß bei Tierparkbetreiber Dr. Niels Ismer auf offene Ohren. Der ließ spontan ein Zelt für den Mittagstisch auf dem Turnierplatz aufbauen. Das Fest startete am Morgen mit der Begrüßung durch den SPD-Abgeordneten im Deutschen Bundestag Achim Post aus Minden. Auf eigene Faust oder in der Kleingruppe erkundeten die über 100 angemeldeten Gäste den Tierpark, besuchten die Tierparkschule und wagten einen Ritt auf dem Kamel. Die Kundgebung mit Berichten von IG Metall Bevollmächtigtem Friedrich Hartmann (Nienburg/Stadthagen), Torsten Kuhlmann und Betriebsratsvorsitzenden Eduard Haab im Diepholzer Werk EI fand mit anschließendem Mittagessen auf dem Turnierplatz statt.
„Wir kämpfen und feiern zusammen ein Familienfest, damit unsere Kinder verstehen, warum Mama oder Papa wieder eine rote Weste tragen und Angst um ihren Job zeigen“, zeigte sich Hartmann kämpferisch. „Wir wollen in den Zielbildprozess zur Arbeitsplatzsicherung einbezogen werden und wir haben Ideen dazu“, untermauerte er. Derzeit klagt die Automobilindustrie über Engpässe bei Halbleitern aus Asien. „Das Werk EI in Diepholz verfügt über Rein-Raumtechnik. Warum produziert das Unternehmen nicht hier die Halbleiter vor Ort?“, so Frage und Vorwurf. Der Blick der Gewerkschafter ging in Richtung Wahl im September und den Positionen der Kommunalpolitiker dazu. „Der Transformationsprozess muss sein, gegen den Klimawandel. Wir müssen ihn moderat gestalten, damit Menschen ihn sich leisten können. Wir brauchen keine Arbeitsplätze in Diktaturen, sondern hier in Europa“, so Hartmanns Appell.
Eduard Haab berichtete aus dem Werk EI in Diepholz, um dessen Verkauf die rund 500 Mitarbeiter fürchten. „Vor kurzem wurde ein Exposee den Interessenten vorgelegt, die uns kaufen wollen. Dreiviertel davon sprangen ab und an der Mimik unserer Ansprechpartner sahen wir „Verschenken wollen sie uns nicht, aber Schlange stehen die Käufer auch nicht“. Die Mitarbeiter des Diepholzer Werkes EI mit der Produktlinie Schaltsysteme hätten zwar Beschäftigungssicherung bis 2022 und Tarifverträge, aber die Angst um den Verlust der Arbeitsplätze durch Verkauf der Sparte sei groß. Mit Aktionen verspricht sich die IG Metall mehr Gewicht bei den Entscheidungen innerhalb der Transformation. Die Metaller möchten kreativ mitbestimmen, was an den Standorten künftig produziert werden kann. „Die ZF-Führung ist durch unsere Aktionen hellhörig geworden“, kommentierte Hartmann. sbb