Gemeinsames Leben und Lernen von Menschen mit und ohne Handicap – das fordern das Völkerrecht und eine UN-Konvention, die seit 2009 auch für Deutschland verbindlich ist. Zu einem Vortrag und einer Diskussion über „Inklusion in der Schule“ hatte der Präventionsrat Rahden eingeladen. Dass viele Ängste und Wünsche bestehen, wurde in der anschließenden Diskussion unter Pädagogen, Eltern, Vertretern der politischen Parteien und Bürgern in der vollbesetzten Aula der Hauptschule deutlich.
„An den Rahdener Grundschulen hat sich einiges verändert“, sagt Dr. Wolfgang Adam vom Präventionsrat. „Die Türen sind für Kinder mit Handicaps nicht mehr fest verschlossen“, stellt der Kinderarzt fest. „Ziel ist eine zunehmend menschengerechte Gesellschaft“, erläutert Raimund Patt, anerkannter Fachberater zum Thema Inklusion. „Inklusion betrifft alle Bereiche des Lebens und Wohnens vor Ort.“ Keinesfalls dürften aber die bisherigen Integrationsbemühungen und Förderschulen verteufelt werden.
Derzeit befinde man sich in einer Phase der Verwirrung und Irritation mit „Hauptbedenkenträgern“ auf der einen und „Rosa-Wölkchen-Malern“ auf der anderen Seite. „In den Schulen löst Inklusion erhebliche Irritationen und Polarisierungen aus“, weiß Patt, der auch das Pilotprojekt „Inklusion in der Grundschule“ in NRW begleitet. „Die schulrechtliche Vorgabe an die Grundschulen ist: seid inklusiv und selektiert. Das kollidiert“, betont der Fachmann. Bisher würden lediglich wenige Schulträger aktive Gestaltungsverantwortung übernehmen. Die Förderschullandschaft drittele sich in euphorisch Bewegte, verärgert Bewahrende und still Verschreckte. In den allgemeinen Schulen ist eher Abwarten angesagt.
„Kinder nehmen sich so, wie sie sind“
Die anschließende und von Michael Heise und Stefan Thünemann moderierte Diskussion drehte sich unter anderem um die Hoffnung auf kleinere Klassen, die Grenzen der Inklusion und das Risiko der sozialen Ausgrenzung.
Immer wieder gefragt wurde, wo die Ressourcen herkommen sollen. Befürchtet wird, dass durch die Schließung der Förderschulen einfach nur Geld eingespart werden solle.
„Eine Grenze lässt sich bei der Inklusion nicht ziehen. Das Kindeswohl und der Elternwillen sind immer zu berücksichtigen“, erklärt Raimund Patt. Mobbing und fehlende Anerkennung hält er für das größte Risiko.
Teilhabe heiße nicht nur, dabei zu sein, sondern auch, sich wohl zu fühlen und anerkannt zu sein, mitzuwirken, Freunde zu finden und zu profitieren. „Kinder nehmen sich so, wie sie sind. Die Gesellschaft ist es, die mobbt“, merkt eine Frau aus dem Publikum an.
„Inklusion braucht Voraussetzungen bei Personal und eine entsprechende Schul- und Unterrichtskultur“, erklärt Raimund Patt. Das ins Abseits geschobene System der Hauptschule sei nicht geeignet, inklusiv zu arbeiten. Alle Schulformen müssten einbezogen werden. Perspektivisch geht der Fachmann von einer Schullandschaft mit Sekundarschule, Gesamtschule und Gymnasium aus.
Für einen interessanten Ansatz hält er die Idee aus den Reihen der Gäste, die Förderschulen auch für andere Kinder zu öffnen. „Die Stadt Köln ist auf dem Weg, das zu tun“, weiß Raimund Patt. Bisher habe er nicht bemerkt, dass Förderschulen geschlossen wurden, weil Kommunen Geld einsparen wollten. Die Absicht zu kleineren Klassen sei erkennbar, merkt Patt an.
Inklusion brauche Akzeptanz und Vertrauen bei den Eltern. Bedenken sollten ernst genommen werden. „Inklusion ist kein Ergebnis, sondern ein steter Prozess“, sagt der Fachmann.
„Es ist eine Leitidee, an der wir uns konsequent orientieren und an die wir uns kontinuierlich annähern, selbst wenn wir sie nicht vollständig erfüllen können“. Die Bürger seien zur Mitwirkung eingeladen, appelliert Fachmann Raimund Patt an die Rahdener.