
Im Interview des Monats äußert sich Prof. Dr. Uwe Leprich aus Saarbrücken zur Lage bei der Energieversorgung und zum Energiemarkt der Zukunft.
Herr Prof. Leprich, in Ihrer Studie zu den vier großen Energieversorgern (E-ON, RWE, Vattenfall, EnBw) haben Sie deren Gewinne und Marktmacht analysiert. Welche Erkenntnisse haben Sie daraus ziehen können?
Zuallererst war für mich überraschend, wie wenig die frei zugänglichen Geschäftsberichte hergeben. Die Daten sind bei weitem nicht ergiebig genug, um Geschäftsentwicklungen im Detail nachvollziehen und die Gewinne erklären zu können. Eine weitere Erkenntnis: Wer in den 90ern im großen Stil Aktien der großen EVUs gekauft hätte, wäre heute ziemlich wohlhabend.
Sie fordern eine institutionelle Beobachtung der großen Versorger. Wie könnte dies konkret aussehen?
Es gibt ja Beispiele in anderen europäischen Ländern, wo es eine solche, gut funktionierende Beobachtungsinstanz gibt. In Großbritannien ist dies energywatch (www.energywatch.org.uk). Als Verbraucherschutzorganisation auf dem Energiesektor – ein so genannter watchdog – wird das Geschäftsgebaren der Energieversorger kritisch begleitet und das Interesse der Kunden gestärkt.
Und welche Konsequenzen sollte diese öffentliche Überwachung ggf. nach sich ziehen?
Grundsätzlich müssen wir in Deutschland und Europa zu vernünftigen Strukturen kommen. Strukturelle Veränderungen wie Entflechtung der Konzerne oder die Neutralisierung des Netzes sind dringend notwendig. Außerdem muss die Vorwärtsintegration der großen Versorger zurückgedreht werden. Fakt ist, dass viele regionale Versorger – in der Regel die lokalen Stadtwerke – von den Großen übernommen wurden oder zumindest unter deren Kontrolle geraten sind. Wir brauchen aber eher mehr Anbieter statt weniger. Außerdem brauchen wir deutlich mehr Transparenz in allen Bereichen des Energiegeschäfts.
Könnten Sie sich z.B. ein staatlich verordnetes Höchstmass für Tariferhöhungen im Energiebereich vorstellen?
Nein. Die Netzentgelte als wichtiger Teil der Endkundentarife werden bereits von der Bundesnetzagentur kontrolliert, die Strombeschaffungspreise bilden sich an der Strombörse und unterliegen somit prinzipiell Marktgesetzen. Aber natürlich brauchen wir noch weitere Verbesserungen der Börse: mehr Liquidität, mehr Transparenz, mehr Akteure.
Zum Energiemarkt der Zukunft:
Wird es grundlegende Veränderungen an der Struktur geben? Wird der ganze Markt kleinteiliger, dafür aber anders und besser vernetzt?
Auf jeden Fall dezentraler. Das ergibt sich schon allein aus den Beschlüssen von Meseberg (Koalitionsklausur August 2007, Anm. d. Red.), die ja im Rahmen der Reduktion des CO2-Ausstoßes die signifikante Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen vorsieht. Zudem soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion von derzeit rund 14 Prozent bis 2030 auf 25 bis 30 Prozent ausgebaut werden. Beides wird wegführen von der zentralistischen Struktur der Großkraftwerke.
Was halten Sie von der Vision des so genannten Intergrids, die der amerikanische Forscher Jeremy Rifkin postuliert? Er behauptet ja: "Die dritte industrielle Revolution wird mit der Entflechtung des Stromnetzes beginnen."
Im Detail halte ich das für unrealistisch. Wir werden in mittlerer Zukunft einen Mix haben von zentralen Anlagen sowie kleineren Einheiten.
Wie schätzen Sie die Entwicklung in Asien ein, insbesondere die steigende Energienachfrage in Indien und China?
Das ist definitiv ein Riesenproblem. Daher ist unser Ziel, rasch mindestens zu einer Halbierung der CO2-Emmision zu kommen, so eminent wichtig. Schon allein, um den guten Willen der westlichen Industrieländer zu manifestieren.
Könnte vor diesem Hintergrund die Kernkraft noch einmal eine größere Rolle spielen? Es gibt ja Menschen, die sprechen von einer Renaissance der Atomenergie.
Nein, definitiv nicht. Bis heute sind die Probleme, die wir seit vielen Jahren in diesem Zusammenhang diskutieren -von der Sicherheit der Technik bis hin zur ungelösten Frage der Endlagerung – nicht gelöst. Hinzu kommt, dass die Energiegewinnung aus Kernkraft eine relativ teure Methode und Uran ja schlussendlich auch eine endliche Ressource ist.
Noch einmal zurück zur deutschen Diskussion um den Energiemarkt: Zwei Phänomen, die ja häufig auch entkoppelt voneinander in den Medien behandelt werden, sind die Umweltproblematik auf der einen Seite und die Preisexplosion auf der anderen. Beides wird angeprangert, doch das eine blockiert doch auch das andere?
Die Zeiten billiger Energiepreise sind endgültig vorbei – dass müssen die Menschen endlich einsehen. Und eigentlich ist diese Entwicklung gar nicht so schlecht, begreifen wir dann doch vielleicht, dass die Umwelt ihren Preis hat.